Arbeit und Soziales
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Aktivierendes Grundeinkommen sprengt die Armutsfalle

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Beitrag von E.Schulte Di Jul 16, 2013 9:42 am

Aktivierendes Grundeinkommen für mehr Beschäftigung von Geringqualifizierten
Diskussionsbeitrag zum Niedriglohnsektor und einem integrierten Steuer-Transfer-System

Grundeinkommen ist ein Schlagwort, das verschiedenste Modelle vereint. Populär sind Forderungen nach einem „bedingungslosen Grundeinkommen“ für jeden Erwachsenen, das beispielsweise über eine Anhebung der Mehrwertsteuer finanziert werden soll. Hier stelle ich hingegen kurz das "Aktivierende Grundeinkommen" vor:

Die Arbeit oder Arbeitslosigkeit Geringqualifizierter stellt uns immer wieder vor die Frage: Wie gehen wir in Deutschland mit Personen um, die zwar arbeitsfähig sind, aber nur eine geringe Produktivität aufweisen? Die Antworten reichen vom Arbeitslosengeld II bzw. Aufstockung des Erwerbseinkommens bis zum Mindestlohn.

Diskutiert wird oft nur der soziale Aspekt, aber wir müssen zugleich den wirtschaftlichen Aspekt im Auge behalten, der auf einem ganzheitlichen, integrierten Steuer-Transfer-System beruht und unter Wirtschaftswissenschaftlern Negative Einkommensteuer heißt, teilweise auch Bürgergeld genannt.

Sozialethische und ordnungspolitische Grundpositionen zum Grundeinkommen:
1.  Menschenwürde und Personalität
• Keine Ämterbürokratie, sondern Transparenz
• Keine Bittstellerposition des in Not Geratenen, sondern ganzheitliches Steuer-Transfer-System mit automatischem Übergang

2.  Solidarität
• Unterstützung des in Not geratenen durch die Allgemeinheit der Steuerzahler, nicht nur der Arbeitgeber
• Individuelle Förderung, um den Arbeitslosen effizient und passgenau in Arbeit zu vermitteln, Fördergarantie

3.  Subsidiarität
• Selbsthilfe, Unterstützungsmöglichkeiten der Familie – auch von ihren Kindern getrennt lebender Elternteile – müssen erst ausgeschöpft werden,
       bevor die Allgemeinheit einspringt, Prinzip des Förderns und Forderns, Anreize zu Schwarzarbeit abbauen
• Wer arbeitet, muß immer mehr haben als der, der nicht arbeitet (Lohnabstandsgebot)
• Hilfe muß auch den Menschen im Auge haben, der die Unterstützung finanzieren bzw. erarbeiten muß – jetzt und bei zukünftigen Generationen

Mit dem „Aktivierenden Grundeinkommen“ soll eine ordnungspolitisch saubere Lösung für die Unterstützung geringqualifizierter bzw. geringverdienender Menschen im Niedriglohnsektor geschaffen werden, die einerseits das Existenzminimum sichert, andererseits aber auch Anreiz für die Geringqualifizierten schafft, legal zu arbeiten. Für Arbeitgeber soll Anreiz geschaffen werden, Personen mit geringer Produktivität einzustellen. Ziel ist, den Arbeitslosen einen Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt auch im Niedriglohnsektor zu ermöglichen. Gleichzeitig soll aber dieses Aktivierende Grundeinkommen finanzierbar sein und nicht zu Lasten zukünftiger Generationen über Steuer- und Abgabenerhöhung finanziert werden.

Ziel des Aktivierenden Grundeinkommens ist, die Arbeitslosigkeit - insbesondere Sockelarbeitslosigkeit und Arbeitslosigkeit von Geringqualifizierten - zu verringern durch eine Kombination von abgesenktem Lohn plus Transfergeld: dabei entsteht Arbeitsanreiz auf Grund des gleitenden Übergangs vom Hilfeempfänger zum Steuerzahler. Die Umverteilung soll transparenter und somit gerechter gestaltet werden und der Sozialleistungsmißbrauch mit Hilfe einer vereinfachten, effizienten und transparenten Sozialverwaltung erschwert werden.

Je niedriger das Existenzminimum und je höher der Steuerfreibetrag festgelegt wird, desto geringer kann unter dem Aspekt der Finanzierbarkeit der Anrechnungssatz ausfallen, so dass dem arbeitenden Transfergeldbezieher mehr vom Hinzuverdienst verbleibt und der Arbeitsanreiz stärker ist, was elementares Ziel des Systems ist. Daher sollte die Transferentzugsrate auf keinen Fall mehr als 60 % betragen. Derzeit liegt sie noch bei 80 bis 90 %.

Um die Inkonsistenzen im bestehenden System zu vermeiden und den Anreiz zur Arbeitsaufnahme sicher zu stellen, schlage ich also die Einführung eines "Aktivierenden Grundeinkommens" vor. Das Aktivierende Grundeinkommen deckt das physische Existenzminimum ab und ersetzt die bisherigen Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld II inkl. dessen Zuschläge, Sozialgeld und Wohngeld, die ja bisher bereits in Deutschland eine Art Grundeinkommen darstellen. Auf dieses Aktivierende Grundeinkommen werden Erwerbseinkünfte angerechnet. Die Transferentzugsrate beträgt zwischen dem physischen Existenzminimum und dem soziokulturellen Existenzminimum null Prozent, darüber hinaus bis zum Eintritt in eine positive Besteuerung 60 %.

Um das soziokulturelle Existenzminimum für alle Erwerbswilligen zu gewährleisten, sind die Kommunen verpflichtet, jedem Hilfesuchenden unabhängig von der individuellen Arbeitsproduktivität und der regionalen Arbeitsmarktlage eine bedarfsabhängige, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder bezahlte Qualifikations- oder Trainingsmaßnahme über 40 Std./Woche anzubieten (soziale Grundsicherung als „Fördergarantie“).

Bedürftige Hilfeempfänger haben die Möglichkeit, anstelle des Aktivierenden Grundeinkommens Leistungen nach der sozialen Grundsicherung zu beziehen (Optionsmodell). Das bedeutet Leistungen nach dem status quo in Höhe des sogenannten Hartz-IV-Satzes mit Bedürftigkeitsprüfung, aber ohne die Möglichkeit eines Hinzuverdienstes.

Beim Aktivierenden Grundeinkommen führen die Einsparungen bei den Sozialleistungen und die Zusammenlegung von Behörden, der Abbau von Bürokratie, Synergieeffekte, Kumulationsvermeidung, Vereinfachung und Transparenz sowie vor allem der Anreiz zur Arbeitsaufnahme mit entsprechenden finanzierbaren neuen Arbeitsplätzen zu einer haushaltsneutralen Finanzierung, wie Berechnungen von Prof. Mitschke und ganz aktuell auch Prof. Althammer zeigen.

Durch das Aktivierende Grundeinkommen in Form einer sogenannten „negativen Einkommensteuer“ hat der Haushalt durch Arbeitsaufnahme immer automatisch deutlich mehr Geld zur Verfügung als ohne Zuverdienst. Darin liegt der entscheidende Arbeitsanreiz, der im heutigen Sozialsystem durch die fast hundertprozentige Anrechnung auf Erwerbseinkommen nicht besteht. Das Lohnabstandsgebot wird beim Aktivierenden Grundeinkommen system-immanent gewahrt.

Die Sicherung des Existenzminimums durch den Staat ermöglicht es auch den Tarifpartnern, die unteren Lohngruppen wieder weiter nach unten zu flexibilisieren, nachdem die Gewerkschaften sie weitgehend abgeschafft hatten mit dem Argument, die Beschäftigten müssten mindestens mit dem Lohn leben können. Durch die Abkopplung des sozialen Aspektes vom Beschäftigungsverhältnis im Zuge eines Aktivierenden Grundeinkommens erfolgen wieder mehr Einstellungen rentabler Arbeitskräfte, so dass die Beschäftigung steigt und die Zahl der Bedürftigen sinkt. Auch Einstiegstarife für Langzeitarbeitslose unterhalb der heutigen Tariflöhne können die Tarifparteien unbürokratisch einrichten, weil die soziale Absicherung durch den Staat statt den Arbeitgeber gewährleistet ist. Es sind selbst Löhne – auch Teilzeitarbeit – unter dem Existenzminimum möglich und für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer lohnend. So sprengt Aktivierendes Grundeinkommen die Armutsfalle.

E. Schulte, 16.7.2013

E.Schulte

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Beitrag von bj Di Jul 16, 2013 11:37 am

Und was macht man mit den gut ausgebildeten und berufserfahrenen Arbeitslosen über 50 Jahre, die nicht aufgrund mangelnder Qualifikation sondern aufgrund ihres Alters keinen Arbeitsplatz finden?

"Aktivierung" ist bei diesem Klientel absolut unnötig.

bj

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Beitrag von gleissner Do Jul 18, 2013 4:16 am

Der Vorschlag für ein aktivierendes Grundeinkommen liest sich gut und ist meines Erachtens schlüssig. Dennoch gilt, was schlüssig ist muss im Ergebnis nicht richtig sein. Der Vorschlag ist ein wenig realitätsfern.

These:
2.  Solidarität
• Unterstützung des in Not geratenen durch die Allgemeinheit der Steuerzahler, nicht nur der Arbeitgeber
• Individuelle Förderung, um den Arbeitslosen effizient und passgenau in Arbeit zu vermitteln, Fördergarantie

Antwort:
Ist das eine Einbahnstraße der Solidarität? Wenn wir eine Förderung mit Steuergeld garantieren, dann müssen wie auch eine Erfolgsgarantie bekommen. Die Formulierung allein riecht nach dem Missbrauch von Steuergeldern.
Die Förderung findet doch schon heute statt. Die Arbeitslosen gehen auf Anweisung in jede Maßnahme, die ihnen offeriert wird. Die finden hauptsächlich in Obhut der Sozialindustrie statt , das 10te Bewerbungstraining, der 3te Exelkurs ect. Es gibt wenige sinnvolle halbstattliche Berufsförderungen. Die Förderungen die gut sind, sind kostenträchtig und fordern den Probanden sehr. Wegen der Kosten werden die Maßnahmen nicht genehmigt und von Probanden wegen der hohen Anforderungen schwerlich akzeptiert. Wir haben z.B einen eklatanten Mangel an qualifizierten Altenpflegekräften, wo sind die Bewerber?
Es sieht eher so aus, dass der Staat kein Geld für qualifizierte Förderung geben will und die Arbeitslosen die harte Schulung für zum Teil unbeliebte Berufe nicht machen wollen. Das ist sogesehen eine win - win Situaton.

These:
Um das soziokulturelle Existenzminimum für alle Erwerbswilligen zu gewährleisten, sind die Kommunen verpflichtet, jedem Hilfesuchenden unabhängig von der individuellen Arbeitsproduktivität und der regionalen Arbeitsmarktlage eine bedarfsabhängige, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder bezahlte Qualifikations- oder Trainingsmaßnahme über 40 Std./Woche anzubieten (soziale Grundsicherung als „Fördergarantie“).

Antwort:
Zu diesem Punkt : Damit sind die Kommunen schlichtweg überfordert, vom fehlenden Geld ganz zu schweigen.
Bei uns in Essen werden gerade die festangestellten Kräfte für die Ganztagsbetreuung abgeschafft und durch Geringverdiener ersetzt. Die fehlende Belegschaftsstunden soll das Lehrpersonal ersetzen.
Die Stadt will damit die Sozialversicherungbeiträge einsparen!

These:
Die Sicherung des Existenzminimums durch den Staat ermöglicht es auch den Tarifpartnern, die unteren Lohngruppen wieder weiter nach unten zu flexibilisieren, nachdem die Gewerkschaften sie weitgehend abgeschafft hatten mit dem Argument, die Beschäftigten müssten mindestens mit dem Lohn leben können. Durch die Abkopplung des sozialen Aspektes vom Beschäftigungsverhältnis im Zuge eines Aktivierenden Grundeinkommens erfolgen wieder mehr Einstellungen rentabler Arbeitskräfte, so dass die Beschäftigung steigt und die Zahl der Bedürftigen sinkt. Auch Einstiegstarife für Langzeitarbeitslose unterhalb der heutigen Tariflöhne können die Tarifparteien unbürokratisch einrichten, weil die soziale Absicherung durch den Staat statt den Arbeitgeber gewährleistet ist. Es sind selbst Löhne – auch Teilzeitarbeit – unter dem Existenzminimum möglich und für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer lohnend. So sprengt Aktivierendes Grundeinkommen die Armutsfalle.

Antwort:
Da hauptsächliche Ziel bei der Abschaffung der unteren Lohngruppen war nicht, dass die Beschäftigen von dem Lohn auch leben können. Bei der Gestalltung der gemeinsamen Tarifverträge von gewerblichen und nicht gewerblichen Beschäftigten wurde damit verhindert, dass die Arbeitgeber bei der nun neuen Einteilung nach Tätigkeitsschlüssel das Lohnniveau ganz weit zu drücken. Das hätte fatale Folgen für Querschnitt der Einkommen gehabt. Das wollten die Gewerkschaften verständlicherweise nicht. Der Staat hat sich aus der Lohnfindung rauszuhalten. Wir haben schon zuviel Staat.

Das Aktivierende Grundeinkommen wird die Armutsfalle nicht sprengen, ist aber für die Betroffenen würdiger. Im übrigen möchte ich die Empfänger von Sozialleistungen nicht als arm im Sinne von bedürftig bezeichen, auch wenn die Sozialindustrie das gerne macht. Das mit der Burokratie, Transparenz ect. war auch Ziel der Agenda 2010 und was ist daraus geworden? Da wo Bundes-, Landes- und Kommunale Einrichtungen am gleichen Thema arbeiten ist Hopfen und Malz verloren, siehe ARGEN.

Wolfgang Gleißner

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Aktivierendes Grundeinkommen sprengt die Armutsfalle Empty Aktivierendes Grundeinkommen nicht umsetzbar

Beitrag von TKrenzel Mo Aug 05, 2013 10:47 am

Guten Abend,

kann mich hier nur Herrn Gleißner anschließen. In einigen Punkten ist das aktivierende Grundeinkommen einfach nicht umsetzbar.

Beispiel: "Um das soziokulturelle Existenzminimum für alle Erwerbswilligen zu gewährleisten, sind die Kommunen verpflichtet, jedem Hilfesuchenden unabhängig von der individuellen Arbeitsproduktivität und der regionalen Arbeitsmarktlage eine bedarfsabhängige, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder bezahlte Qualifikations- oder Trainingsmaßnahme über 40 Std./Woche anzubieten (soziale Grundsicherung als „Fördergarantie“). "
-> Die Kommunen sind pleite, da die Sozialausgaben sie auffressen.

Beispiel: "Die Sicherung des Existenzminimums durch den Staat ermöglicht es auch den Tarifpartnern, die unteren Lohngruppen wieder weiter nach unten zu flexibilisieren, nachdem die Gewerkschaften sie weitgehend abgeschafft hatten mit dem Argument, die Beschäftigten müssten mindestens mit dem Lohn leben können."
-> Hört sich im Resultat nach 1 €-Job an. Moderne Sklaverei.

Jedoch finde ich ein Lohnabstandsgebot leistungsgerecht. Sollte man auf jeden Fall in eine Reform integrieren.


Grüße
TK

TKrenzel

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